Ihnen fällt zu Vertrieb und Film nur „Tod eines Handlungsreisenden“ (Death of a Salesman, Arthur Miller) ein? Gute Wahl, es gab immerhin einen Pulitzer-Preis dafür. Aber mit Vertrieb hat das Drama überhaupt nichts zu tun. Da hätte ich ein paar vertriebsrelevante Filme, die viel unterhaltsamer sind. Und, wie im Vertrieb, jeder auf seine Art.
Ich gebe allerdings zu, dass bei der Entstehung der folgenden Filmen vermutlich niemand vorhatte, vertriebliche Situationen darstellen zu wollen. Schon allein, weil das Thema auch niemanden interessiert hätte, nicht einmal mich. Doch in den nachfolgenden Szenen steckt die eine oder andere Situation drin, die Vertriebsmitarbeitern bekannt vorkommen könnte.
Interessenkonflikte und Verknappung: Der Clou (The Sting, 1973)
Bei diesem Film weiß man bis zum Ende nie ganz genau, wer auf wessen Seite steht. Sehenswert die Szene, als Doyle Lonnegan seine halbe Million Dollar in dem fingierten Wettbüro setzen möchte und zunächst nicht darf, um dann umso interessierter daran zu sein. Natürlich wird im Vertrieb niemand in die Irre geführt und Bluffs fliegen allzu schnell auf. Aber es gibt sie sehr wohl, die Unwägbarkeiten, die im Verkaufsprozess in Form verschiedener Stakeholder des Zielkunden auftauchen und deren Interessen — vom Einkauf mal abgesehen — einem nicht sofort klar sind. Sicher kann man sich dagegen erst sein, wenn man wie im Film mit dem Koffer Geld (lebend ;-)) aus dem Haus geht.
Glaube an den Auftrag: Die Commitments (The Commitments, 1991)
Dieser Film hat überhaupt nicht viel mit Verkauf zu tun, aber es gibt eine Szene, die dem ein oder anderen Vertriebler bekannt vorkommen könnte. Nämlich, als der Fahrer von Wilson Picket das Fenster seines Wagens herunterfahren lässt, um ausgerechnet den Bandchef, der den ganzen Abend nicht glauben wollte, dass der berühmte Picket noch zum Konzert kommen würde, nach dem Weg zu eben diesem zu fragen. Das gleicht ziemlich genau der Situation, wo nur noch der Vertrieb an den Auftrag glaubt, der Kunde aber dauernd vertagt, während die Kollegen und der Chef sich nicht mehr ganz so sicher über die Wahrnehmungsfähigkeiten ihres Verkäufers sind und noch weniger über dessen Pipeline. Leider kommt Wilson Picket der Auftrag oft zu spät — jedenfalls für den betroffenen Vertriebler: Nach seiner Entlassung. Liebe Kunden, bedenkt das bitte! ;-)
In Schönheit sterben: Der Schakal (The Day of the Jackal, 1973)
Na gut, am Ende ist der Protagonist tot, so soll das natürlich nicht mit Vertriebskollegen enden, auch nicht mit dem Kunden und schon gar nicht mit dem Auftrag. Und niemand rennt im Vertrieb mit einem Gewehr herum, auch wenn in diversen Fachbüchern gerne das Bild der Schrotflinte bemüht wird. Nichts von alledem. Hier geht es um die Akribie, mit der der Vertrieb seinen Weg gehen sollte, um möglichst wenig dem Zufall zu überlassen. Um es mal ganz konkret mit der Vorbereitung eines Termins zu beschreiben: Nicht erst am Morgen feststellen, dass der Anzug nicht mehr ganz frisch ist, nicht erst unterwegs bemerken, dass die Visitenkarten fehlen oder die finale Präsentation noch auf dem Server liegt, nicht darauf hoffen, dass das benötigte Internet beim Kunden tatsächlich funktioniert oder dass dieser einen Mini Displayport auf VGA bereithalten könnte. So etwas gehört schon ein paar Tage vorbereitet, damit der Termin entspannt über die Bühne geht.
Es wird eng: Thank you for smoking (2005)
Eine „gewisse Abgewichstheit“ müsse der Vertrieb schon haben, meinte mal einer meiner Chefs. Obwohl ich die Wortwahl schon damals etwas befremdlich fand, so ahne ich mittlerweile, was gemeint war. Und kein Film fasst das besser zusammen als „Thank you for smoking“: Niemand sollte natürlich Vertrieb für etwas machen, von dem er nicht restlos überzeugt ist. Aber hey, machen wir uns nichts vor: 100% gibt es nun mal nicht immer. Deshalb sein Licht unter den Scheffel stellen? Nicht unbedingt! Bestechungen lassen wir natürlich weiterhin lieber bleiben und wer lügt, muss auf lange Sicht ein gutes Gedächtnis haben. Am meisten Spaß macht Vertrieb halt nur, wenn man mit dem Produkt eins ist und sich nicht verbiegen muss.
Sie können mit jedem dieser Filme auch ohne vertriebliches Hintergrundwissen Spaß oder Spannung haben. ;-) „Den“ Vertriebsfilm, wo es wirklich um Vertrieb geht, gibt es allerdings auch. Aber der macht überhaupt keinen Spaß:
Vertrieb in der Steinzeit: Glengarry Glen Ross (1992)
Wer unbedingt sehen will, wie die vertriebliche Hölle in den 80ern ausgesehen haben könnte oder vielleicht auch aussah, dem sei dieser Film empfohlen. Aber bitte nichts nachmachen — Sie werden nicht einen einzigen Kunden gewinnen. Die Besetzung ist vielversprechend (u.a. Al Pacino, Kevin Spacey, Jack Lemmon), aber ganz ehrlich: Dieser Film ist eine reine Zeitverschwendung. Sie erkennen irgendetwas davon aus Ihrem aktuellen Vertriebsleben wieder? Wechseln Sie, sofort!
Schade, kaum Indie dabei. Haben Sie noch eine Filmszene, die in diese Liste gehört? Und die vielleicht nicht gerade aus „Dracula“ (Gier), „Wall Street“ (Gier) oder „Der Pate“ (Gier, äh, „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann“) stammt?
Es muss übrigens nicht unbedingt Hollywood bemüht werden, es gibt auch noch andere Quellen, die mehr über das Vertriebsleben berichten als manch ein Pulitzer-Erfolg oder Motivationsvortrag. Zum Beispiel wie Mark Twains Tom Sawyer Tante Pollys Zaun streichen lässt.
19. Juli 2013 um 22:10
Echt eine klasse Idee für einen Artikel! Liegt wahrscheinlich am Sommerloch, dass der bislang noch eher unentdeckt geblieben ist. ;)
Mir fallen da z.B. noch diese Filme ein:
„Edward mit den Scherenhänden“ von Tim Burton
Da entdeckt die rührselige, warmherzige AVON-Vertreterin den Edward, als sie an seinem verfallenen Schloß klingelt mit den typischen wiedererkennenswerten Worten: „Avon läutet!“ Ein lieblicher Singsang, der seine Wirkung auf mich zumindest nicht verfehlt. Bleibt im Gedächtnis. Außerdem ist sie irgendwie goldig-mütterlich. Der würde ich auch ganz viel AVON abkaufen. Was ist eigentlich aus AVON geworden? Haben schon lange nicht mehr geläutet. Gibts die noch?
„Chocolat“ mit der wundervollen Juliette Binoche
Ist zwar ein Film, den man irgendwie nur im Winter gucken kann, aber egal… Da geht einem gleich das Herz auf, wenn man in den Laden kommt. Wunderbares Lehrstück, was den USP eines Ladens ausmacht und wie man Kunden überzeugt und von sich begeistert.
Liebe Grüße & genieße die Sonne!
Dina
20. Juli 2013 um 14:24
Jaaa, genau! An “Chocolat” hatte ich auch schon gedacht — wegen des weiblichen Charmes und der Produktproben. ;-) Den wollte ich mir dieser Tage noch mal anschauen, um sicher zu gehen, nicht in irgendeine Klischee-Falle zu tappen, aber habe es noch nicht geschafft. Wie du schon sagst — Winter…
“Edward mit den Scherenhänden” kenne ich noch gar nicht (shame on me!) und muss ich unbedingt nachholen.
Es fehlen mir hier noch viel zu viele Programmkino-Filme. :-) Vielen Dank für deine Tipps!
12. September 2013 um 14:51
Interessanter Beitrag und Aufstellung. Ich verwende in meinen Vertriebstrainings zum Beispiel „Erin Brokovich“, zum Thema Verhandeln. Etliche Elemente zu Beziehungsuafbau, Status, Gesprächsführung. Ähnliches gilt für „Wall Street“ und „Pulp Fiction“. Ist immer wieder klasse, diese Filme mit anderen Augen zu sehen. Alles auch gut beschrieben im Buch „Verhandeln nach Drehbuch“. LG Siegfried
12. September 2013 um 16:47
Hallo Siegfried,
danke für deine Tipps! Das Buch kannte ich noch gar nicht und werde ich mir auf jeden Fall mal anschauen. Vielleicht muss ich “Wall Street” doch ganz anders sehen.